Der textblog im Mai 2009:

Starten Sie mit klaren Formulierungen!

Heute habe ich wieder eine Formulierung gelesen, die mir schon oft aufgefallen ist. Also mache ich sie in alter Manier gleich zum Thema für diesen Blog. Es handelt sich um die sprachliche Wendung „XY startet durch“. Oft trifft man sie als Titel eines Artikels oder Pressetextes an. Im konkreten Fall handelt es sich um den Titel einer Presseaussendung, nämlich: „Klima- und Energiefonds startet durch“.

Ich frage mich immer, wenn ich so einen  Satz lese: Warum startet der „durch“? Gab es ihn schon und er kommt jetzt in einer neuen Form wieder? „Durchstarten“ hat nämlich eine ganz klare Bedeutung. Der Begriff kommt aus der Fliegerei: Hier bedeutet durchstarten den Vorgang, einen Landeanflug abzubrechen und das Flugzeug noch einmal in die Höhe zu ziehen. Nur ist das hier ganz offensichtlich nicht gemeint.

Ich vermute, jemand, der diese Wendung im oben beschriebenen falschen Zusammenhang benutzt, möchte damit dem Wort „starten“ eine stärkere Bedeutung verleihen. Als ob „durchstarten“ nach mehr klänge als „starten“. Tut es aber nicht. Es verwirrt nur. Es macht einen Text weniger gut verständlich; und wieder einmal sind wir beim Motto „Weniger ist Mehr“ – wie so oft beim Schreiben. Wenn der Verfasser das Wort „starten“ schon verstärken will, warum tut er es dann nicht einfach? Zum Beispiel, indem er schriebe: „Klima- und Energiefonds startet mit viel Optimismus“, „Klima- und Energiefonds startet aussichtsreich“, „Klima- und Energiefonds startet vielversprechend“, „Klima- und Energiefonds startet voller Elan“ oder was auch immer er möchte. Das alles sagt etwas aus. „Klima- und Energiefonds startet durch“ sagt gar nichts aus. Es lässt den Leser im Dunkeln über den Sinn der Formulierung und mindert dadurch die Aufmerksamkeit.

Danke für das Güterverteilzentrum!

Wenn es nach der Werbung geht, bin ich ein richtig reicher Mann. Heute ist ein neuer Besitz zu meinen schon bisher umfangreichen Latifundien hinzu gekommen: ein Güterverteilzentrum. Glauben Sie nicht? Um ehrlich zu sein – ich eigentlich auch nicht. Aber da steht es, ganz deutlich, in der Zeitung, die vor mir auf dem Schreibtisch liegt: „Wiener Hafen – Ihr Güterverteilzentrum“.

Ich finde es ja toll, dass der Hafen neuerdings „mein“ Güterverteilzentrum ist, aber ich weiß eigentlich nicht so richtig, was ich damit anfangen soll, sorry. Als ein Hotel kürzlich behauptet hat, „meine“ Wellness-Oase (oje!) im Herzen der Alpen zu sein, konnte ich mich ja noch irgendwie mit dem Gedanken anfreunden. Aber ein Güterverteilzentrum? Wer will das schon haben?

Plusquamperfekt oder was?

Die Vorvergangenheit oder das Plusquamperfekt ist eine nette Einrichtung: Man kann damit ausdrücken, dass ein Ereignis in der Vergangenheit ein zweites, ebenfalls bereits vergangenes Ereignis bedungen hat. Zum Beispiel: „Gestern wachte ich mitten in der Nacht schweißgebadet auf – ich hatte einen Albtraum gehabt.“ Also zuerst kam der schlechte Traum, dann erst wurde der Erzähler wach. Diese semantische Logik wird leider allzu oft nicht beachtet, sodass der Satz dann fälschlicherweise lauten würde: „Gestern wachte ich mitten in der Nacht schweißgebadet auf – ich hatte einen Albtraum.“ Also, da wacht jemand auf und hat gleichzeitig einen Albtraum; das funktioniert eindeutig nicht – trotzdem trifft man permanent auf diesen Fehler, der die Bedeutung eines Satzes komplett verändert.

Ein weit verbreiteter Irrtum scheint zu sein, die Vorvergangenheit werde dann eingesetzt, wenn ein Ereignis besonders lange zurück liegt oder von großer Bedeutung war. Also beispielsweise: „Mein Großvater war im Jahr 1900 geboren worden.“ In Wirklichkeit ist es für die Wahl der richtigen Vergangenheitsform vollkommen unerheblich, wie lange ein Ereignis zurückliegt oder wie wichtig es war: Auch der Urknall war nicht der Ursprung unserer Welt gewesen, sondern er war es ganz einfach (soferne die gleichnamige Theorie stimmt, aber das sei hier nicht Gegenstand des Diskurses).

Manchmal versucht jemand auch, das Plusquamperfekt einzusetzen, macht es aber genau verkehrt herum. Heute las ich folgenden Satz in einer Zeitung: „Das Rebranding hatte € 200.000 gekostet und war seit Monaten geplant.“ Richtig wäre: „Das Rebranding kostete € 200.000 und war seit Monaten geplant gewesen.“ Denn zuerst muss es ja geplant worden sein, um in weiterer Folge Kosten zu verursachen.

Schreibt man in der Gegenwart, ist die Vorvergangenheit für ein zurückliegendes Ereignis wie gesagt fehl am Platz. Deswegen heißt sie ja auch Vorvergangenheit und nicht Vorgegenwart. Zum Beispiel:
„Die Hausverlosung einer Villa in Hietzing verzögert sich aus rechtlichen Gründen. Der Notar war abgesprungen.“ Was auch immer den Herrn Notar dazu bewogen hat, er ist abgesprungen, und das genügt sprachlich auch schon.