Der textblog im Oktober 2010:

Helft dem Lebkuchenfabrikanten seinem Texter!

Kleine Fallstudie der besonderen Art: In einer aufwändig gestalteten Hochglanzbroschüre des oberösterreichischen Lebkuchenherstellers Kastner hat’s doch glatt folgender Satz durchs Lektorat geschafft (oder haben die so etwas nicht?): „Weitgereist sind die geheimnisvollen Gewürze, die den Lebkuchen von Kastner seinen unverwechselbaren Zauber verleihen.“ Ein Fall von: Knapp daneben ist auch vorbei!

Wiki und die starken Männer

Die Redaktion von orf.at berichtet heute über eine Umfrage unter Wikipedia-Administratoren. Da steht unter anderem Folgendes zu lesen: „Wikipedia-Administratoren verbringen täglich mehr als zwei Stunden in der Onlineenzyklopädie, der Schnitt liegt bei 40 Minuten.“ Also täglich zwei Stunden und im Schnitt 40 Minuten – wie jetzt? Da steh‘ ich nun, ich armer Tor und bin so klug als wie zuvor …

Später erfahren wir: „Als lästig bezeichnet eine Vielzahl der Admins ,Edit Wars‘, das Sperren von Benutzern und die Klärung von Urheberrechten. Die Sachwalter des Wikipedia-Wissens sind zudem überwiegend männlich, im Durchschnitt 40 Jahre alt und mehrheitlich ,linksliberal mit grünen Zügen‘.“ Die finden also nicht nur so Manches lästig – nein, die sind außerdem auch noch männlich! Na so etwas …

Studie: schlechte Texte verursachen Milliardenschäden

Laut einem Bericht des deutschen Internetportals Business Wissen verursachen schlecht verständliche Unternehmenstexte alleine der bundesdeutschen Wirtschaft einen Schaden in der Höhe von rund 1 Mrd. Euro jährlich. Gehen wir vom üblichen Verhältnis von 1:10 zwischen Österreich und der Bundesrepublik aus, dann heißt das für unser Land: 100 Mio. jährlich verpufft. Das wundert mich gar nicht, wenn ich mir ansehe, was Unternehmen so alles auf ihre Zielgruppen einerseits und die Medien andererseits loslassen. Dabei spreche ich nicht in erster Linie von Tipp- oder Grammatikfehlern; die sind zwar entbehrlich aber meistens auch lässlich. Worum es hier wirklich geht, ist mangelnde Verständlichkeit. Viele Menschen drücken sich immer noch so aus, als wäre Komplexität in der Sprache ein Qualitätskriterium: je komplizierter formuliert desto besser in der Wirkung. Das Gegenteil ist der Fall. Lange, komplexe Sätze sind leichter zu schreiben, aber schwieriger zu lesen; und kurze prägnante Sätze sind schwieriger zu schreiben, aber leichter zu lesen (vgl. Wolf Schneider).

Ebenso viele Personen sind der festen Meinung, sie könnten texten weil sie schreiben können. Das ist aber in zahlreichen Fällen ein Irrtum – und der Grund für die oben genannte Schadenssumme. Denn dadurch werden Unmengen an Texten publiziert, die ihr Ziel verfehlen: Sie werden von den Personen, an die sie gerichtet sind, nicht wahrgenommen und schon gar nicht verinnerlicht oder im Gehirn gespeichert. Der Aufwand, sie zu verfassen, war für die Fisch‘. Das betrifft Medieninformationen (Presseaussendungen) ebenso, wie Texte für die unterschiedlichen Marketinginstrumente, ob in Printform oder online; und es betrifft in hohem Maß natürlich die tägliche Korrespondenz, wie Kundenbriefe, Angebote etc. Das Potenzial, das Unternehmen hier offensteht, ist enorm – der Einsatz gering. Alles was zu tun ist: Engagieren Sie einen professionellen Texter!

Verstanden werden: eine Frage der Zeit

Hier wieder einmal ein Beispiel, wie der falsche Umgang mit Vergangenheit und Vorvergangenheit einen Text unverständlich macht.  In einem Bericht aus der Sportredaktion von orf.at über ein Fußballmatch gegen Belgien war zu lesen: „Zur Pause hatte Österreich 2:1, bis zur 87. Minute mit 3:2 geführt. Franz Schiemer (14.) glich die Führung der Belgier durch Jelle Vossen (11.) schnell aus, Marko Arnautovic ließ das ÖFB-Team mit einem Klasseschuss nach schöner Junuzovic-Vorarbeit in der 29. Minute gar noch ein zweites Mal vor der Pause jubeln.“

Man versteht hier kaum, was der Verfasser eigentlich sagen will, weil er die Zeiten genau verkehrt einsetzt. Denn das, was vorher passiert ist, muss natürlich in der Vorvergangenheit stehen und was danach folgt, in der Vergangenheit. Es geht also nicht darum, welcher Satz an erster und welcher an zweiter Position steht, sondern welches Ereignis vorher bzw. nachher stattgefunden hat.

Der Satz müsste also richtigerweise lauten: „Zur Pause führte Österreich 2:1, bis zur 87. Minute mit 3:2. Franz Schiemer (14.) hatte die Führung der Belgier durch Jelle Vossen (11.) schnell ausgeglichen, Marko Arnautovic das ÖFB-Team mit einem Klasseschuss nach schöner Junuzovic-Vorarbeit in der 29. Minute gar noch ein zweites Mal vor der Pause jubeln lassen.“

Na bitte, sogar der ORF …

… nimmt sich des Themas Text und Sprache an: In einem Beitrag auf orf.at von heute, 6. Oktober, nimmt ein Redakteur die zahlreichen Deutschfehler der für die Wiener Gemeinderatswahl kandidierenden Parteien aufs Korn; hier der Link zum Artikel. Das Argument des ORF stimmt: In der heutigen Zeit, wo alle Parteien ordentliche Deutschkenntnisse als Voraussetzung für die Integration von Zuwanderern fordern, sollten sie selbst mit gutem Beispiel vorangehen – und das bedeutet in diesem Fall: Lernen Sie Deutsch, Herr oder Frau Abgeordnete/r! (In Anlehnung an Bruno Kreiskys legendären Ausspruch: „Lernen Sie Geschichte, Herr Reporter!“)