Der textblog im Oktober 2013:

Eine lustige Geschichte über „über“

Friedrich Nietzsches „Übermensch“ wurde in der US-amerikanischen Philosophie anfangs als „Superman“ übersetzt – bis eine Comic-Figur gleichen Namens ihm den Rang streitig machte. Daher gingen die amerikanischen Philosophen dazu über, den deutschen Begriff zu verwenden – mit der Folge, dass sich das vorangestellte „über-“ in den USA zur Mode gewandelt hat, um etwas Herausragendes auszudrücken. Einigen Amerikanern geht das schon ein bisschen auf die Nerven. Hier der Artikel dazu aus „Die Welt“.

Wie Sie Ihre Botschaft erfolgreich verschlüsseln.

Wollen Sie Ihre Botschaft erfolgreich vernebeln, dann ignorieren Sie einfach die Bedürfnisse Ihrer Leser und verwirren Sie diese von Anfang an. Schreiben Sie so, dass es möglichst schwer fällt, eine klare Aussage zu erkennen. Das ist gar nicht so schwer. Ein Redakteur des „Wirtschaftsblatt“ macht es  wunderbar vor, wenn er schreibt: „Rekordpreise brachte die erste Zinshaus-Auktion Österreichs, die am Donnerstag in einem Wiener Luxushotel abgehalten wurde, keine.“ Großartig, diese Verwirrungstaktik! Von Anfang an hält der Autor seine Leser geschickt in dem Irrglauben, es wären Rekordpreise erzielt worden – bis dann zum Schluss die furiose Auflösung des Verwirrspiels geliefert wird – ‚reingefallen, liebe Leser, es gab nämlich keine Rekordpreise!

„beide“ oder „die beiden“?

Heute geht es wieder einmal um einen dieser kleinen, feinen Unterschiede in der deutschen Sprache – und zwar jenen zwischen „beide“ und „die beiden“. Meiner Meinung nach ist der Unterschied klar: Das Wort „beide“ hat trennende Bedeutung, „die beiden“ hingegen wirkt verbindend. Folgendes Beispiel macht das vielleicht klarer:

Martha und Leo gingen miteinander ins Kino. Danach gingen beide nach Hause.
Martha und Leo gingen miteinander ins Kino. Danach gingen die beiden nach Hause.

Im ersten Fall wird man annehmen, dass Martha nach Hause ging und Leo auch – aber getrennt.
Der zweite Satz legt nahe, dass Martha und Leo zusammen nach Hause gingen.

Daher: „beide“ ist trennend, „die beiden“ verbindend. Wenn also ein Redakteur in einem Artikel schreibt: „US-Präsident Barack Obama hat […] Xi Jinping […] zum gemeinsamen Kampf gegen Cyber-Spionage aufgefordert. Beide Länder müssten in dieser Frage eine […] Übereinkunft erreichen“, dann klingt das in meinen Ohren nicht sauber. Es sollte heißen „Die beiden Länder müssten in dieser Frage eine […] Übereinkunft erreichen.“ Denn dann ist die gemeinsame Bedeutung betont und nicht die trennende. Eine Übereinkunft können die Länder ja nicht mit sich selbst erreichen, sondern nur gemeinsam.

Anders wäre es beispielsweise, wenn ein Satz lautete: „Beide Länder werden ihre Ideen dazu ausarbeiten und einander beim nächsten Treffen präsentieren.“ Hier wird klar: Sowohl das eine als auch das andere Land arbeitet seine Ideen aus.

Der Unterschied wird übrigens auch durch die Sprachmelodie deutlich. Im ersten Satz liegt die Betonung anders als im zweiten: „Beide Länder …“ versus „Die beiden Länder„. Daher klingt es im ersten Satz eher nach einem „sowohl als auch“, und das kann ja hier nicht gemeint sein.

Unterschätzter Erfolgsfaktor Text

Leider scheint Textqualität mancherorts immer noch ein schwer unterschätztes Kriterium der Kommunikation zu sein. Das zeigt folgendes Beispiel von der Website der Wirtschaftskammer Österreich, Kapitel Immobilienmarketing:

„Ergreifen Sie die Chance, sich von der Mitbewerbung abheben, Ihr Projekt attraktiver machen, Entscheidungswege beim Kunden zu verkürzen und Ihrem Gebäude von vornherein einen besonderen Charakter geben.“

Das hat nichts mehr mit Tippfehlern zu tun, die in der Hektik des Alltags einfach passieren. Nein, dieser Satz zeugt entweder von sprachlicher Inkompetenz oder völliger Ignoranz gegenüber dem Wert schriftlicher Unternehmenskommunikation.

Warum und für wen ist das schlecht?

Die Wirtschaftskammer Österreich ist eine Organisation mit Zwangsmitgliedschaft. Sie wird demzufolge auch durch zwangsweise eingehobene Mitgliedsbeiträge finanziert. Darüber kann man denken, wie man will. Problematisch wird es aber jedenfalls dann, wenn mit diesem Geld Leistungen finanziert werden, deren Qualität das Prädikat „Substandard“ verdient. Dann kommt nämlich der unangenehme Verdacht auf, dass mit dem Budget nicht verantwortungsvoll umgegangen werde – und dass dies möglicherweise anders wäre, wenn die Organisation sich ihr Geld am freien Markt verdienen müsste.

Deshalb ist ein derart grottenschlechter Text gefährlich für die WKO. Wenn so etwas öfter vorkommt, entsteht der Eindruck von Inkompetenz; und hat sich der einmal im Kopf festgesetzt, ist er nur schwer wieder korrigierbar. Langfristig untergräbt die WKO auf diese Weise also ihre eigene Existenzberechtigung als Zwangs-Interessensvertretung.

Brief an den Botschafter, Teil 2

Schönen Freitag Nachmittag,

hier ist der zweite Teil des Botschafter-Briefes von Greenpeace:

„Am Folgetag hat die bewaffnete russische Küstenwache illegaler Weise das Greenpeace International Schiff Arctic Sunrise geentert, während dieses in internationalen Gewässern unterwegs war. 25 Aktivisten wurden an Board verhaftet. Wir fordern die unverzügliche Freilassung von allen festgehaltenen Aktivisten sowie ein Ende der ungerechtfertigten Aggression der Küstenwache gegen unser Schiff und den friedvollen Protest.

Greenpeace International ist in der Russischen Arktis, um Zeugnis abzulegen und eine friedvolle Opposition gegen die zerstörerischen und unverantwortungsvollen Ölbohrpläne der Ölkonzerne zu bilden. Unser friedlicher Protest wurde mit extremer und unverhältnismäßiger Gewalt seitens der russischen Küstenwache erwidert, die 11 Warnschüsse auf unser Schiff – die MY Arctic Sunrise – abgefeuert hat und unsere Aktivisten mit Messern und Pistolen bedrohte. Nun werden 30 unserer Aktivisten durch die russische Küstenwache gegen ihren Willen und ohne Rechtsvertretung festgehalten.“

Der erste Satz ist im Grunde ganz in Ordnung, weist aber ein paar stilistische Schwachstellen auf: 1.) „illegaler Weise“ klingt etwas hölzern; so etwas schreibt man besser zusammen, also „illegalerweise“. 2.) Noch besser ist es aber, den Hinweis auf die Illegalität in einen eigenen Satz zu packen, das macht die Aussage stärker. 3.) Wenn man Markennamen und Hauptwörter zusammenfügt, so gehören sie mit Bindestrich verbunden. Wenn der Markenname aus zwei Begriffen besteht, muss man zwischen diesen beiden auch einen Bindestrich setzen, also z.B.: die Red-Bull-Dose, oder, wie in diesem Fall, das Greenpeace-International-Schiff. Wenn dann noch ein Eigenname dazu kommt, würde ich ihn zwecks besserer Unterscheidbarkeit unter Anführungszeichen setzen, also „Arctic Sunrise“.

Hier mein Vorschlag für die ersten beiden Sätze: „Am Folgetag hat die bewaffnete russische Küstenwache das Greenpeace-International-Schiff „Arctic Sunrise“ geentert. Diese Aktion war illegal, da das Schiff in internationalen Gewässern unterwegs war.“

So geht es im Original weiter:

„25 Aktivisten wurden an Board verhaftet. Wir fordern die unverzügliche Freilassung von allen festgehaltenen Aktivisten sowie ein Ende der ungerechtfertigten Aggression der Küstenwache gegen unser Schiff und den friedvollen Protest.“

Zum ersten Satz: Wenn von einem Flugzeug oder einem Schiff die Rede ist, schreibt man nicht „an Board“, sondern „an Bord“. Das „Board“ ist ein Brett, z.B. ein Surfboard oder ein Snowboard. Der zweite Satz weist eine vermeidbare Wiederholung des Begriffes „Aktivisten“ auf; es empfiehlt sich, statt dessen z.B. „Personen“ zu schreiben. Außerdem würde ich statt der Formulierung im 3. Fall „von allen festgehaltenen Personen“ jene im Genitiv „aller festgehaltenen Personen“ empfehlen – spart ein Wort und klingt eleganter. Generell kristalliert sich im Laufe meiner Arbeit folgende Regel heraus: Falls beides möglich ist, eher Nominativ als Genitiv und eher Genitiv als Dativ verwenden; also: 1. Fall vor 2. Fall vor 3. Fall.

Die beiden Sätze neu: „25 Aktivisten wurden an Bord verhaftet. Wir fordern die unverzügliche Freilassung aller festgehaltenen Personen sowie ein Ende der ungerechtfertigten Aggression der Küstenwache gegen unser Schiff und unseren friedvollen Protest.“

Nächster Satz: „Greenpeace International ist in der Russischen Arktis, um Zeugnis abzulegen und eine friedvolle Opposition gegen die zerstörerischen und unverantwortungsvollen Ölbohrpläne der Ölkonzerne zu bilden.“

Hier gibt es zwei Fehler: 1.) Zwei Mal „und“ innerhalb eines Satzes klingt nicht sehr souverän; ein „und“ würde ich daher durch „sowie“ ersetzen. 2.) Das Wort „unverantwortungsvoll“ ist Unsinn. Da kratzt sich wohl jemand gern mit dem rechten Zeh am linken Ohr. 3.) „eine friedvolle Opposition bilden“ ist eine recht geschwollene Formulierung; einfacher ist prägnanter; Zeitwörter sind besser als Hauptwörter.

Besser klingt der Satz daher so: „Greenpeace International ist in der Russischen Arktis, um Zeugnis abzulegen und friedvoll gegen die zerstörerischen sowie verantwortungslosen Bohrpläne der Ölkonzerne vorzugehen.“

Der nächste Satz im Brief lautet: „Unser friedlicher Protest wurde mit extremer und unverhältnismäßiger Gewalt seitens der russischen Küstenwache erwidert, die 11 Warnschüsse auf unser Schiff – die MY Arctic Sunrise – abgefeuert hat und unsere Aktivisten mit Messern und Pistolen bedrohte.“

Hauptprobleme hier sind die Länge und der unnötige Einschub, der den Lesefluss stört. Der Satz klingt in dieser Form nicht professionell. Am besten, man teilt ihn in zwei getrennte Aussagen. Außerdem ist es für das Verständnis nicht hilfreich, plötzlich mit der Abkürzung „MY“ hier aufzutauchen. Dann würde ich auch noch empfehlen, die drei „und“ im gleichen Satz zu vermeiden.

Mein Vorschlag: „Unser friedlicher Protest wurde mit extremer und unverhältnismäßiger Gewalt seitens der russischen Küstenwache erwidert. Diese feuerte 11 Warnschüsse auf unser Schiff ab und bedrohte unsere Aktivisten mit Messern sowie Pistolen.“

Wir kommen  zum letzten Satz für heute:
„Nun werden 30 unserer Aktivisten durch die russische Küstenwache gegen ihren Willen und ohne Rechtsvertretung festgehalten.“

Na bitte, geht doch. An diesem Satz habe nicht einmal ich etwas auszusetzen ;-).